Die größte Freiluftgalerie im Allgäu
Die Welt der Kunst entdecken, Natur erleben, das Auge schärfen, alle Sinne ansprechen – das will die Landesgartenschau bieten. Nicht nur mit floraler Kunst, auch mit Skulpturen, Landart und Installationen. Insgesamt elf Künstler – regional, national und international bekannte – werden in den weitläufigen Parkanlagen ihre Objekte zeigen, die zum Teil extra für die Schau erstellt wurden.
Auch wenn sie höchst verschiedenartig und aus unterschiedlichsten Materialien sind, eint sie alle ein thematischer Bezug zur Stadt, zum Fluss, dem Allgäu oder zur gärtnerischen Ausstellung. Teilweise stammt selbst der Werkstoff aus der Argen oder der Umgebung. Kunst- und feinsinnig werden dabei auch gesellschaftspolitische Themen aus neuer Perspektive beleuchtet. Eine Einladung, sich einfach mal drauf einzulassen und gespannt zu sein, was geschieht.
Der Auswahl vorausgegangen war ein öffentlicher Kunstwettbewerb. Aus über 120 Bewerbungen fällte der Kunstbeirat dann seine Entscheidung. Mehr dazu können Sie in unserem Journal Nummer 03 nachlesen.
Till Augustin: Die Schrift
Erba-Park
Die Schrift stammt aus der Werkreihe „Spindeln“ – Arbeit Nr. XIII
Augustin: „Wie die Zeit vergeht …
30 Jahre ist es jetzt schon her, dass ich die erste Spindel in einer Industrieeisengießerei gegossen habe. Daraus entwickelte sich eine ganze Werkreihe von gusseisernen Arbeiten, einige davon eine halbe Tonne schwer. Angesiedelt sind diese Formen immer im Spannungsfeld zwischen prallen Fruchtkörpern und gefährlichen Waffen. Leben und Tod in einem.
Später kam überraschend der Werkstoff Porzellan hinzu. Eine knapp neun Meter lange Spindel mit dem Titel „Die Schrift“. Sie ist aus Blei, Stahl und Porzellan gefertigt. Der zwei Tonnen schwere Porzellankörper wurde in monatelanger Mühe aus großen Isolatoren herausgemeißelt. Die stählernen Spitzen und der stählerne Mittelring wurden von mir noch zusätzlich mit Blei ummantelt und anschließend in den Porzellankörper eingefügt.
Nun ist es an Ihnen …
… sehen Sie das Schreibgerät für die Hand einer Riesin?
… oder liegt da vielleicht eine gefährliche Waffe?“
Albrecht Zauner: connected
Erba-Park
Skulptur in Passeirer Marmor (Südtirol-Stein, Terlan), 2020- 2022
Entstanden ist diese Skulptur in einer Zeit, in der das Thema Verbindung und Trennung sehr deutlich ins Bewusstsein gerückt ist.
„connected“ war ursprünglich ein ganzer Block, ein Findling aus dem Passeiertal.
Er wurde geteilt, jeweils innen und außen bearbeitet und wieder zusammengefügt.
Es ist ein bewegter Resonanzraum entstanden, der mit allen Sinnen erfahren werden kann und dabei das Verbindende anklingen lässt.
In seinen Arbeiten thematisiert er das Wesen des Menschen in seiner Körperlichkeit. Immer wieder neue Antworten auf Fragen zu Proportion, Komposition, Bewegung und Verdichtung werden den Materialien – vorwiegend Stein – eingeschrieben. Die Skulpturen, Reliefs und Zeichnungen entstehen aus dem Zusammenspiel von Gegensätzlichem: Schwere und Leichtigkeit, Inneres und Äußeres, Weiches und Hartes, Fülle und Leere definieren die Formgebung.
Klaus Prior: Die drei Ratsherren
Argenwiese
Klaus Priors Kunst, seine Skulpturen ebenso wie seine Werke auf Leinwand und Papier entstehen ohne vorhergehende Skizze, ohne Modell, je nach Größe oft in einem Arbeitsgang, spontan und konzentriert zugleich, In den offensiven Ausbrüchen über die Formgrenzen hinaus, in der proportionalen Überbetonung von Köpfen, Gliedmaßen, Gesichtern oder Gebärden, in all jenen eigenwilligen Stilmitteln leben die unkaschierten Arbeitsspuren als Manifeste des momentanen Ausdrucks fort. Der Künstler meldet die Positionierung seiner Gestalten In einem episodischen Zusammenhang, die Zugabe von Attributen, Gebrauchsgegenständen oder anderweitigen Hinweisen auf einen erzählerischen Kontext. Priors Kunst ist geprägt von den nachhaltigen Erinnerungen seiner Kindheit und Jugend im Nachkriegsdeutschland, der Erkenntnis von der Geworfenheit und Zerbrechlichkeit des Menschen, gepaart mit den Lebenserfahrungen in einer multinational geprägten industriellen Arbeiterkultur. Seine Bilder und Skulpturen sprechen von der stetigen Begegnung des Menschen mit Schmerz, Verwundung und Isolation.
Quelle Dr. Stefanie Dathe (Auszug)
Michael Hoedjes: Tree animal
Argenwiese
Für gute Ideen müssen wir die tief eingefahrenen Denkmuster unseres Gehirns verlassen. Kunst kann uns dabei helfen. Wussten Sie, dass wenn wir etwas völlig Neues betrachten wir es größtenteils mit Erlebnissen und bekannten Vorkommnissen unserer Vergangenheit verknüpfen? Das ist auch der Grund, dass jeder etwas völlig anderes in meinen Tree-Animals sieht. Sie bauen sich aus dem auf, was wir bereits aus unserer Vergangenheit kennen.
Meine Tree-Animals sind Phantasietiere, die sich einer anderen Dimension der Evolution weiterentwickelt haben. Also verwandt mit uns bekannten Tieren – aber nicht als diese erkennbar! Sie existieren nur in unserer Vorstellung. Mit meinen Tree-Animals möchte ich auf die große Bedeutung und Wichtigkeit der Biodiversität aufmerksam machen, denn sie ist die Grundlage unseres Lebens. Schon ausgestorbene Pflanzen und Tiere kommen nie wieder zurück! Wir brauchen gute Ideen um den Klimawandel aufzuhalten – und so die größtmögliche Biodiversität zu erhalten.
Wir dürfen keine Tiere und Pflanzen mehr verlieren!
Alexander Habisreutinger: modulares Astgeflecht
Argenwiese
Alex Habisreutinger: Das Kunstwerk „Modulares Astgeflecht“ wurde speziell für die Landesgartenschau Wangen konzipiert. Grundidee dafür war ein von mir entwickeltes (modulares) Stecksystem. Gesammelte Äste verschiedener Baumarten (unter anderem Treibholz aus der Argen) dienten als Ausgangsmaterial. Diese wurden getrocknet und in einzelne Astsegmente zersägt. Durch Anbohren von Zapfen bzw. Löchern (an deren Enden) entstanden flexibel zusammenfügbare Ast-Modulteile.
Die Idee war nun, daraus eine lebensgroße (in sich geschlossene) „naturarchitektonische“ Skulptur zu bauen. Als grobe Vorlage diente ein (selbstgefertigtes) Modell im Maßstab 1 : 20. Der Zusammenbau des Kunstwerkes war ein spielerischer (und nicht genau vorplanbarer) Prozess: Aus dem zuvor angefertigten Fundus modularer Einzelteile wuchs die Arbeit Stück für Stück. Ähnlich wie bei einem Puzzle wurden durch probeweises anlegen (bzw. anstecken) verschiedenförmiger Bauteile passende Stücke gefunden. Das so entstandene „Astgeflecht“ stellt für mich eine lebendige Zusammenfindung von Mensch und Natur dar.
Reinhard Scherer: Fokus
Auwiesengarten
FOKUS steht als Konzentrationspunkt im ‚Auwiesengarten‘, lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Öffnung der Form, auf die
energiegeladene Leere. FOKUS gibt Energie an den umgebenden Raum ab, lädt diesen auf.
Der Betrachter tritt in einen Dialog mit der Skulptur und der Umgebung.
Folgt der Betrachter der Wegführung, ändern sich die Blickachsen, der Konzentrationspunkt FOKUS bleibt im Zentrum des Raumes.
Als Brennpunkt und Ruhepol weist FOKUS über die unmittelbare Umgebung hinaus.
Uwe Schäfer & Philip Beck: Warten VII
Gärten am Herzmannser Weg
Eine Hütte steht im Park. Die Tür ist offen. Man kann eintreten.
Im Inneren befinden sich ein Stuhl, ein Tisch mit Stiften und einem Skizzenbuch.
Die leeren Seiten des Buches laden zum Schreiben, Zeichnen und Kritzeln ein.
Weiter hinten, vor dem Fenster, sind in Kisten Kräuter ausgesät.
Auf dem Stuhl sitzend kann man das Wachstum der Pflanzen beobachten.
Die Kräuter sind für alle da und können geerntet werden. Zudem steht eine Gießkanne bereit, um sie bei Bedarf zu gießen.
Warten VII ist der Titel dieser benutzbaren Installation.
In öffentlich zugänglichen Räumen werden Behausungen gebaut, die an Gewächshäuser in Schrebergärten erinnern.
Gebaut wird vor Ort.
Jede Hütte sieht an jedem Ort anders aus.
Das Aussehen der Behausungen wird maßgeblich durch die vorherige Auswahl des Baumaterials bestimmt. Bei der Installation für die Landesgartenschau in Wangen wurden unter anderem folgende Materialien verwendet oder eigens dafür angefertigt: Treibholz von der walisischen Küste, Kacheln aus Freiburg, farbige Gläser gefertigt in der Mayrischen Hofkunstanstalt in München, Bauhölzer von der Schwäbischen Alb, Dachlatten aus der Dreisam, Kellerkanthölzer aus Stuttgart, Dachziegel aus Wangen und Malertafeln aus Gutenstein im oberen Donautal.
Irene Wanner-Mitter: Baummonument
Sportpark
Sieben Stelen ragen Richtung Himmel.
Alte Balken stehen nach 200 Jahren Dienst als Deckenträger wieder aufrecht wie in den Tagen ihres langsamen Heranwachsens. Versehrt, müde, ihrer Naturform längst beraubt, verfügen die über dreihundert Jahre alten Veteranen ungebrochen über eine starke Ausstrahlung, die sich dem wundervollen Material Naturholz verdankt. Die Ruhe, die von der kleinen Gruppe ausgeht, vermag die einzelne farbige Stele weniger zu stören als zu betonen. Obwohl in ihrer äußeren Gestalt nahezu identisch und mit Motiven aus der Natur bebildert, lassen Glätte, Glanz und Ebenmaß sie nicht als etwas Verwandtes wahrnehmen, sondern als das künstliche Objekt, das sie ist. Erhaben schließen die gewesenen Bäume den Fremdkörper ein, als wüssten sie um die Minderwertigkeit des Menschengemachten, das im Gegensatz zu ihnen früh und ohne Würde altern wird und anders als sie im Vergehen nichts zu geben hat außer Müll. Basis für die Gestaltung der Acrylglas-Stele ist eine für den Innenbereich geschaffene Serie umlaufend bemalter, gewachster Massivholzquader. Handliches, Empfindliches ist übersetzt in Großformatiges, Witterungsbeständiges. Die Originale sind im benachbarten Waggonhäuschen zu sehen.
Jörg Bach: Reflektor
Sportpark
…. Jörg Bach reflektiert sein Denken und Fühlen auf diese sehr elementare Weise – nämlich mit kraftvollen Linien im Raum. Das Modul, das seinen Arbeiten zugrunde liegt und bei aller Vielgestaltigkeit ihre strukturelle Verwandtschaft erkennen lässt, ist eine voluminöse lineare Form aus verschweißtem Stahlblech. Ihr vermag Jörg Bach als Bildhauer ebenso unmittelbare Ausdruckskraft zu verleihen, wie als Zeichner mit seinem Strich. Während das Zeichnen aber nur eine fiktive Vorstellung von Raum erzeugt, bewegen sich die gekurvten, verschlungenen, verzahnten Linien der Plastik im dreidimensionalen, realen Raum und sind in ihrer Gestalt voll greifbar. In ihrer kraftvollen physischen Präsenz sind sie für uns als Betrachtende wie ein lebendiges Gegenüber, das uns sinnlich anspricht, in Zwiesprache einbindet und uns aus dieser nicht so schnell entlässt. …
(Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck, 2022, für Museum ART.PLUS)
Winfried Becker: Recxa
Sportpark
Winfried Becker macht sich frei von großen Vorbildern oder vermeintlich zeitgenössisch Angesagtem. Er bleibt nah dran am Tier weder heroisch noch niedlich, weder Sinnbild noch Identifikationsangebot, ein Tier eben. Becker sucht für sein jeweiliges Motiv immer aufs Neue die geeignetste technische Umsetzung, er sägt, modelliert, lässt in unterschiedlichen Materialien gießen. Er gibt dem pragmatischen Zwang, aus Kostengründen etwa nur in Gips oder Holz zu arbeiten, nicht nach. Denn für ihn ist der Metaqllguß, dessen Schwere und Materialität, wesensnotwendig für viele seiner Gestalten. Sein Ziel: Dem Wesen des Tieres noch mehr auf die Spur zu kommen.
Birgitt Höppel M.A., Kunst. Kultur. Text
Guido Weggenmann: Tanksäule
Sportpark
Das Kunstwerk Tanksäule besteht aus aufgespießten, aufeinander gestapelten Stahl – Wasserkanister der Bundeswehr. Diese wurden nach Auskünften der Regierung an einem Bundeswehr Materialverwerter angekauft. Diese dienten einst zur Wasserversorgung der Truppen. Inhaltlich geht es mir bei dieser Säule um den sensiblen Umgang mit der so lebenswichtigen Ressource – Trinkwasser. Spannend und nachdenklich zugleich blickt man auf die metallenen Körper, da sie fast baugleich mit Treibstoffkanister sind. Sollten wir nicht generell bewusster und achtsamer mit den Geschenken unserer Erde umgehen.
Friedemann Grieshaber: große Figur mit Gesicht
Stadtgarten
(Bild folgt) Kultur kommt von Kultus, und Kultus ist von jeher eine Verneigung vor dem Ursprünglichen, der Schöpfung. Vor diesem Hintergrund steht die „große Figur mit Gesicht“, als ein an der Physis formuliertes Bild höherer Moral. Die moderne und unkonventionelle Figurenauffassung bildet mit dem modernen Baustoff Beton eine Einheit. Dialektische Wiedersprüche wie schön und häßlich, schwer und leicht, Spannung und Langeweile, Körper und Raum, Positiv und Negativ, kurz und lang, dick und dünn, stabil und brüchig, tot und lebendig, sind in einer Gestalt vereint. Erst Begrenzung formt Beton, Schalmaterialien für den Betonguss gaben der Figur ihre tektonische Struktur. Flächen Kanten und Winkel sowie die graue Farblosigkeit bilden im Kontext der Umgebung formale Bezüge zur Bebauung und einen Kontrast zur farbigen und organischen Vegetation.
Kies, wertvolle und regionale Ressource, findet sich typischerweise in Flußtälern und in Böden von Endmoränenlandschaften und ist für die Herstellung von Beton unentbehrlich geworden. Werden Kies, Zement und Wasser vermischt entsteht in Verbindung mit Armierungsstahl das Mittel genwärtiger Bautätigkeit. Beton steht nach wie vor für ewige Stabilität, Sicherheit, Härte und Modernität, mit Blick auf Nachhaltigkeit und Klima allerdings auch für den monströsen Co2-Fußabdruck der globalen Bauwirtschaft. Zudem hat Beton durchaus eine plumpe, kalte, zerbrechliche und instabile Seite. An Beton nagt der Zahn der Zeit, er ist Veränderungsprozessen unterworfen, zerbröselt. Das spricht nicht gegen seine Eignung für sensible oder poetische Anwendungen, besonders wenn der tote Baustoff auf bildnerischer Ebene lebendig wird.
Im Gegensatz zur Verwendung „bürgerlicher“ Bronze ist die künstlerische Verarbeitung eines „armen“ Materials wie Beton – dem typisches Bauarbeitermaterial – ein Bekenntnis zum Handwerk und zur unteren Schicht der (demokratischen) Gesellschaft, denn tatsächlich ist die Betonverarbeitung eine regelrechte Drecksarbeit. Die kann mit wenig Werkzeug und Produktionsmitteln selbst, sozusagen aus einer Hand, bewerkstelligt werden. Damit steht die künstlerische Arbeit am Beginn einer Wertschöpfungs- wie auch einer Wertschätzungskette. Arbeit von Hand formuliert per se ein kritisches Statement zur Smartisierung und öffentlich geförderten Digitalisierung. Sie stärkt Gemütskräfte ebenso wie das Gespür für Wahrhaftigkeit, und fördert die Selbstreflexion, auch gegenüber unserem Kulturmodell des grenzenlosen Wachstums.
Margit Hartnagel
Blumencafé
Margit Hartnagel studierte in Wien an der Akademie Malerei und an der Angewandten Raumkunst. Ihr Werk erforscht den malerischen zweidimensionalen Bildraum, aber auch den dreidimensionalen in Form von Objekten, Performances und Kunst am Bau Projekten. Über viele Jahre unterwirft sie den Bildraum einer strengen Reduktion auf der Suche nach dem Wesentlichen. Ihre aktuelle Werkserie der „Arising Colors“ bedeutet einen Wendepunkt. Aus der durchlichteten Leere des bisherigen Bildraumes tritt nun eine Fülle in Form von leuchtenden Punkten, die sich zu einem lebendig oszillierenden Feld verbinden.