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Landesgartenschau Wangen im Allgäu 2024 - Grafik: junge Leute

Wir können Ihnen viel erzählen

Oder wir lassen die erzählen, die mit uns an der Umsetzung der Landesgartenschau 2024 in Wangen mitgearbeitet haben. Mitgedacht, mit­gezittert, mitgeschwitzt, mitgefreut. Denn jeder kann seine eigene Geschichte am besten erzählen:

Mit der Landes­garten­schau 2024 in die Zukunft

OB Michael Lang, Axel Lohrer

Oberbürgermeister ­Michael Lang & Landschaftsarchitekt Axel Lohrer im Interview

Die Sanierung der ehemaligen Baumwollspinnerei und -weberei ERBA, der Neubau einer attraktiven Wohnsiedlung auf dem Auwiesengelände und die Anbindung dieser beiden neuen Stadtviertel an die Altstadt über Fuß- und Radwege – das sind die Schwerpunkte der jetzigen Stadtentwicklung. Wo heute einfaches Grün vorherrscht, laden an den Wegen künftig überraschende Landschaftsbilder zum Schauen und Genießen ein. Oberbürgermeister Michael Lang und Landschaftsarchitekt Axel Lohrer erläutern die Pläne und künftigen Herausforderungen.

Worauf freuen Sie sich bei der Landesgartenschau 2024?

Oberbürgermeister Michael Lang: Derzeit gehen wir wegen der Pandemie durch eine schwierige Zeit. Ich hoffe, dass 2024 wieder ein schönes Jahr wird, in dem wir uns auch wieder unbeschwert begegnen können – wie bei einem Kinderfest über vier Monate, sodass wir uns auch dankbar zeigen können für das, was man geschafft hat.

Axel Lohrer: Wir brauchen einen schönen Rahmen, und dann kann man auch eine gute Fete machen. Wir werden kein Rambazamba auf der Festwiese veranstalten, sondern in allen Parkabschnitten die Highlights inszenieren, und zwar so vielseitig, dass man gerne mehrmals nach Wangen im Allgäu kommt.

Was ist die Idee hinter dem großen Entwicklungsprozess, der das gesamte Gelände von der ehemaligen Baumwollspinnerei und -weberei über die Auwiesensiedlung an der Argen entlang bis hin zur Altstadt einbezieht?

OB Lang: Die Idee ist, das Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei und -weberei ERBA zu revitalisieren und damit die große Gewerbebrache wieder zurück ins Leben zu bringen. Und außerdem den schönen Naturraum zu nutzen, um so die Innenstadt und den künftigen neuen Stadtteil zu verknüpfen. Die Stadt, der Fluss und die Revitalisierung der ERBA, das zusammenzuführen, darum geht es auf dem Weg zur Landesgartenschau 2024.

Wie stehen die Altstadt und das Spinnereigelände für die Landschaftsplanung zueinander?

Axel Lohrer: Wir haben einen ganz starken Mittelpunkt für den Grünzug entlang der Argen – und das ist die Altstadt. Alle Wege führen dorthin oder von ihr weg. Die ERBA als neuer Stadtteil ist eine wunderbare Ergänzung zu dem, was man in Wangen mit der historischen Altstadt schon hat.

Das Areal entlang der Argen ist heute schon grün. Weshalb braucht es eine neue Anlage?

Axel Lohrer: Es gibt Grün, das ist grün. Und es gibt Grün, das zum Aufenthalt einlädt. Sie können das unterscheiden zum Abstandsgrün, zum Beispiel wenn Sie sich den Festplatz vorstellen, wie er heute aussieht. Da will derzeit niemand seine Picknickdecke ausbreiten. Und die Argen ist auf fast ihrer ganzen Länge drei Meter tief unten in ihrem Bett. Wir wollen eine Wiese, auf der man mit dem Kinderwagen gehen kann und von der man ans Wasser kommt. Es ist Teil der Idee, die hinter dem Ganzen steht, dass ich vor meiner Haustür aus der Altstadt heraus diese Grünanlagen nutzen kann.

Auf dem Auwiesenareal beginnt nach und nach die Bebauung mit Gebäuden in Holzbauweise. Was verspricht sich die Stadt von diesen Neubauten?

OB Lang: Das Wohngebiet in den Auwiesen ist ein sehr schön gelegener Stadtteil – direkt am Fluss und am Prallhang der Argen und mit kurzem Weg zur Altstadt. Die Wertigkeit des Quartiers wird eine besondere durch die Holzhäuser, auf die wir uns freuen und auf deren Wirkung wir auch gespannt sind. Mithilfe der Landesgartenschau 2024 können wir dieses Gelände noch einmal völlig neu und positiv aufbauen. Das freut mich vor allem für diejenigen, die schon immer dort leben und sich hoffentlich dort auch wiederfinden.

Neu angelegt wird auch die gesamte Fläche vom Milchpilzparkplatz rund um die künftige Kreissporthalle, die Argeninsel und die Sportflächen im Vorderen Ebnet. Mit welchem Ziel?

Axel Lohrer: Das Erste ist, dass wir mit der Argeninsel einen Freiraum in unmittelbarer Nähe der Altstadt haben. Vor dem Bau der Fischtreppe war er jedoch eine Art „Terra incognita“, also eine Gegend in Wangen, die man wenig kannte, weil man dort bestenfalls die Sportplätze nutzte. Dieses Gebiet ist ein ganz wichtiger Einstieg in das Argenparkgelände. Die Fischtreppe liefert das Wasser für einen Spielraum, wir bekommen an dieser Stelle das Wassertretbecken, und die Schul- und Sportflächen werden neu in die Landschaft eingebunden. Und wir kriegen die Öffnung runter zur Argen, die jetzt sehr steil ist. Das Gelände wirkt wie ein kleiner Quartierspark, vor allem für die Altstadt.

Auch andere Orte an der Argen werden neu angelegt. Welchen Charakter soll der Fluss annehmen?

OB Lang: Die Obere Argen fließt durch die Stadt. In vielen Städten gibt es traditionelle Ereignisse am Fluss. In Wangen gab es – bis das „D’Arge nab“ als kleines Bootsrennen kam – so etwas nicht. Auf alten Aufnahmen kann man sehen, dass die Menschen früher die Argen in ihr Leben einbezogen haben. Deshalb ist es eine Chance, durch die naturnahe Gestaltung jetzt auch dem Fluss seine Möglichkeiten zurückzugeben, die er als Wildfluss hat, und um auch als attraktiver Ort im städtischen Leben in der Zukunft mehr eine Rolle zu spielen. Mit der Abflachung des Ufers kann man so zum Beispiel auf der Argeninsel ans Wasser kommen, ohne sich in Lebensgefahr zu begeben.

Als im Argenpark bei der Hochwasserente Bäume fielen, hat das nicht allen Wangenern gefallen. Warum sind solche Eingriffe unvermeidlich?

Axel Lohrer: Das ist das alte Problem der Landschaftsarchitekten. Es ist eine Frage der Abwägung: Will ich jetzt an der Vegetationsstruktur, die wir heute haben, festhalten – mit den abgängigen Eschen, die nach und nach wegen des grassierenden Pilzes eingehen werden? Oder versuche ich, mit neu gepflanzten Bäumen eine Struktur zu schaffen, die für die kommenden 50 oder 100 Jahre ein richtiges Entwicklungspotenzial hat. Und genauso werden wir mit dem Grünzug an der Argen umgehen. Ich meine, wir gehen extrem vorsichtig an die verschiedenen Abschnitte dran. Wir werden bis zur Landesgartenschau 2024 rund 3.000 Bäume und Sträucher pflanzen.

Müssen die Wangenerinnen und Wangener in der Zeit bis zur Eröffnung der Landesgartenschau mit Einschränkungen und Behinderungen rechnen?

OB Lang: Die Landesgartenschau 2024 ist auch das Ereignis, bei dem es heißen wird: „Jetzt sind diese großen Baustellen weg.“ Zum Beispiel für die Fußgänger, wenn man vom Rotgerberweg in die Stadt kommt. Der Sportbetrieb auf der Argeninsel wird wieder stattfinden können, und eine neue Sporthalle wird die alte ersetzen. Es kommen damit auch die Erfahrungen, dass man etwas schmerzlich vermisst. Aber jetzt kommt die handfeste Zeit der Baustellen, die erst einmal beschwerlich sind. Konfliktthemen können aus Sperrungen, Arbeiten am Fluss oder an der Vegetation erwachsen.

Axel Lohrer: Sehen Sie es mal so: Sie bauen das eigene Häusle um und wohnen weiter dadrin. Sie gehen davon aus, dass es keinen Staub gibt und die Küche immer zugänglich ist. Das sind wir bei einem solchen städtischen Umfeld natürlich nicht so gewohnt. Aber bis 2024 müssen wir jetzt da durch, und bis dahin ist die Küche halt eine gewisse Zeit gesperrt. Wir sind vom Maßstab her größer, als wenn man sein Häusle umbaut und drin wohnt. Aber wir haben damit dieselben Schwierigkeiten. Wegen der Verkehrssicherungspflicht können wir nicht alles offen halten. Da geht es vor allem um Haftungsfragen.

Stellen Sie sich vor, es ist schon 2034 oder 2044: Wo wird dann, im Rückblick, die Stadt Wangen im Allgäu am meisten von dem Großprojekt profitiert haben?

Axel Lohrer: Diese Landschaftsarchitektur ist immer eine Wette auf die Zukunft. Denn das, was wir heute herstellen, ist im Gegensatz zum Hochbau nicht in vier oder fünf Jahren fertig, sondern in 40, eher 50 Jahren. Wenn man sich die Parkanlagen anschaut, die nach dem Krieg entstanden sind, die bekommen jetzt erst langsam ihre eigentliche Form. Das heißt, wir schaffen heute die Struktur für die Menschen, die später hoffentlich sagen: Das war richtig, was wir geschaffen haben – so, wie wir heute die Altstadt betrachten.

OB Lang: Wir waren 2019 in Kehl auf dem Gelände der Landesgartenschau 2004 direkt am Wasser. Wenn die Landesgartenschau-Fläche bei uns ähnlich attraktiv ist wie der Bereich am Fluss dort in Kehl, dann haben wir vieles richtig gemacht. Man hat damals eine wertige Anlage und eine wertvolle Verbindung nach Straßburg geschaffen. Das Ergebnis ist auch für die nachfolgenden Generationen sehr attraktiv. Ein Park wird umso schöner, je älter er ist. Wenn ich mal 100 Jahre alt bin und mit dem Spazierstock in unserem Landesgartenschau- Gelände spazieren gehe, sage ich: „Es war eine aufregende, aber schöne Zeit, das alles zu entwickeln.“

„Die naturnahe Gestaltung ist jetzt auch die Chance, dem Fluss seine Möglichkeiten zurückzugeben, die er als Wildfluss hat, und um auch als attraktiver Ort im städtischen Leben in der Zukunft mehr eine Rolle zu spielen.“

Oberbürgermeister Michael Lang
Luftbild Stadt Wangen

Hier ein schnipp, da ein schnapp. Damit es künftig entlang der Argen blüht und brummt, packen viele fleißige Hände mit an.

Landesgartenschau Wangen im Allgäu 2024 - Grafik: Gärtnerin mit Schere

Mehr Platz für Flora und Fauna

Peter Geitz, Tobias Baur

Peter Geitz & Prof. Tobias Baur im Interview

Im Zusammenspiel mit den Vorbereitungen zur Landesgartenschau 2024 engagieren sich das Land Baden-Württemberg sowie das Regierungspräsidium Tübingen, die Stadt Wangen und die Landesgartenschau GmbH gemeinsam bei der Revitalisierung der Oberen Argen. Die Planer Peter Geitz (Büro Geitz und Partner, Stuttgart) und Prof. Tobias Baur (Büro Ramboll Studio Dreiseitl, Überlingen) arbeiten in der ARGE (Arbeitsgemeinschaft zum Projekt Renaturierung Obere Argen) zusammen und erläutern im Interview, was genau hier geschieht.

Herr Geitz, warum braucht die Obere Argen im Wangener Stadtgebiet eine Aufwertung?

Peter Geitz: Fast alle Flüsse und Bäche wurden im Laufe der Zeit auf großen Strecken vom Menschen nach seinen Bedürfnissen umgebaut, begradigt, kanalisiert, aufgestaut oder sogar verlegt, im schlimmsten Fall verrohrt. So wurde über die Jahrhunderte auch in die Argen eingegriffen. Leitgedanke war dabei der nachvollziehbare Wunsch nach Sicherheit vor Hochwasser sowie nach gut nutzbaren Acker- und Wiesenflächen in der Landschaft. Folglich kamen teils mit hohen Mauern und Sohlpflaster befestigte Fließstrecken in der Stadt zustande sowie kilometerlange, laufbegradigte und mit Wasserbausteinen befestigte Flussbereiche außerhalb bebauter Gebiete. An den versteinerten Ufern gab es nur noch Platz für einen schmalen Gehölzsaum, der oft zur Brennholzgewinnung genutzt wurde. Solche Gewässer fließen, gefangen in einem steinernen Korsett, zwischen den von Menschenhand gebauten Ufern. Raum für die natürliche Flussdynamik gibt es kaum noch. Die angrenzenden ehemaligen Aueflächen werden heute unterschiedlich genutzt, in Zeiten größerer Hochwässer jedoch überflutet. Da im ausgebauten Fluss keine geeigneten Rückzugsräume vorhanden sind, werden Fische vom viel zu schnell abfließenden Wasser buchstäblich davongetrieben. Diese Defizite wollen wir entsprechend beheben oder zumindest minimieren.

Wie genau soll das gelingen?

Peter Geitz: Wir weiten die Argen im rund 3,5 Kilometer langen Flussabschnitt zwischen dem Hinteren Ebnet bei der Brücke Bad Briel bis hinunter zur Eisenbrücke südwestlich des Stadtteils ERBA/Auwiesen an fünf Stellen auf und machen sie teilweise zugänglich. Ziel ist es, dem Gewässer wieder mehr Raum zur eigendynamischen Entwicklung zu geben. Dadurch entstehen neue, wertvolle Lebensräume für Fische und andere Tierarten, aber auch für einen neuen, typischen Pflanzenbewuchs. Erosionen sind in einem Flussbett natürliche Prozesse und Garanten für andauernde Gewässer- und Uferneubildungen, die für eine funktionierende Flusslandschaft unerlässlich sind. Für viele Tier- und Pflanzenarten sind diese Prozesse lebenswichtig. Wir stellen nur den Beginn von Veränderungen her, die der Fluss dann selbst weiterentwickeln soll. Manchmal aber müssen wir dem wieder Grenzen setzen, wofür wir mit geeigneten Maßnahmen sorgen.

Welche Folgen haben diese Eingriffe?

Peter Geitz: Wenn wir Aufweitungen herstellen wollen, müssen die entsprechenden Uferböschungen abgeflacht werden, wofür leider auch der gesamte Bewuchs weichen muss. Das war im Winter 2022 auch in Wangen so. Dies schmerzt zunächst zwar, aber sofort Nach Abzug der letzten Maschinen zieht mit Macht neues Leben ein und erobert die frischen Flächen. Beispiele dafür gibt es viele. Und man kann daran auch sehen, wie sehr die Landschaft und damit auch die Ökologie davon profitiert haben. Zum Beispiel in Pforzheim: Bereits im Jahr 1990 haben wir an der Enz und der Mäuerachklinge im Zuge der Landesgartenschau 1992 durch den kompletten Umbau des Flusslaufs zwischen den Hochwasserdämmen vielfältige Lebensräume für Tiere und Pflanzen wiederhergestellt oder neu geschaffen. Oder betrachten wir den Neckar bei Ludwigsburg-Hoheneck. Auch dort war das (schiffbare!) Gewässer zwischen betonierten Ufern eingezwängt, entlang derer zahlreiche Bäume wuchsen. Um den Fluss aus seinem Korsett zu holen, mussten auch da leider alle Bäume fallen. Aber sowohl in Pforzheim als auch in Ludwigsburg sind längst mehr Bäume und Sträucher an den Ufern gewachsen als zuvor. Heute, nach 30 Jahren, steht in Pforzheim ein 25 Meter hoher, dichter Uferwald. So ähnlich wird das auch an der Argen sein.

Was geschieht an der Argen im Einzelnen? Beginnen wir bei der Brücke Bad Briel …

Tobias Baur: Im ersten Abschnitt „Im Rehgarten“, oberhalb der Brücke Bad Briel, wird auf der – von der Brücke aus gesehen – rechten Seite dem Fluss mehr Platz gegeben. Der neu abgeflachte Bereich wird immer dann überspült, wenn die Argen viel Wasser führt. Auf diese Weise werden neue Lebensräume für die Tier- und Pflanzenwelt geschaffen. Weiter entstehen hier auf einer Länge von 20 bis 30 Metern Kiesbänke, die ebenfalls neue Lebensräume für Tiere bieten werden und auch für den Menschen erreichbar sind. Ins Flussbett werden Steinriegel eingebaut, die das Wasser an manchen Stellen beschleunigen, an anderen aber auch so sehr verlangsamen, dass Fische und andere Wasserbewohner dort Ruheplätze finden. Unterhalb der Brücke Bad Briel wird die steile und glatte Betonrampe aus dem Fluss entfernt und durch eine sogenannte Raue Rampe ersetzt. Oberstes Ziel der gesamten Planung ist es, im Fluss Auf- und Abstiegsmöglichkeiten für möglichst viele Fischarten zu schaffen. Genau dies kann mit der neuen Rauen Rampe erreicht werden. Der Raum auf der linken Seite gibt uns die einzigartige Chance, dem Fluss eine eigendynamische Entwicklung zuzugestehen. Das bedeutet: Der Fluss darf sich durch Erosion am Ufer frei bewegen und schlängeln. Des Weiteren werden über die gesamte Länge des Flusses sogenannte Strukturelemente eingebaut. Diese können aus verschiedensten Materialien wie Bäumen, Wurzelstücken oder Flussbausteinen hergestellt werden. Sie schaffen ganz verschiedene Lebensräume für die unterschiedlichen Bewohner der Argen. Für den Bereich der Argenwiese westlich des Auwiesengeländes gilt etwas ähnliches wie im Hinteren Ebnet. Allerdings hat die Argen dort andere Voraussetzungen, weil sie viel weniger Wasser führt. Die Ursache hierfür ist die Abzweigung des Kanals beim Wehr an der Isnyer Brücke.

Auf der Argenwiese fanden bereits massive Bauarbeiten statt. Was genau wurde gemacht?

Peter Geitz: Dort haben wir den Fluss aus seinem geraden Verlauf heraus nach links in Richtung des ehemaligen Prallhangs umgeleitet. Wir geben ihm an dieser Stelle sozusagen einen kleinen „Schubs“, um seine dynamischen Kräfte wieder zu mobilisieren. Vielleicht erobert sich die Argen dort irgendwann neues Gelände und formt ihr neues Flussbett selbst aus. Der alte Flusslauf bleibt teilweise erhalten und an die Argen angeschlossen. Er dient so den Wasserbewohnern, die weniger stark durchströmte Zonen benötigen als Lebensraum beziehungsweise als Fluchtkorridor für Fische bei Hochwasserereignissen.

Was wird im Bereich Entenpark aus dem Fluss?

Tobias Baur: Dieser Bereich ist inzwischen baulich abgeschlossen. Er darf jetzt noch einwachsen und sich entwickeln. Der Fluss wurde an dieser Stelle etwas aufgeweitet und mit einer Flachwasserzone versehen. Dort sollen sich zum einen Wasserbewohner ansiedeln können, die eher flache, gemächlich fließende Gewässer bevorzugen, zum anderen bietet dieser Bereich Wangenern und Besuchern die Möglichkeit, nahe ans Wasser heranzukommen.

Was passiert an der Argeninsel und weiter südlich?

Tobias Baur: Die Vorbereitungen für die Umgestaltung der Argeninsel haben bereits im Herbst 2021 begonnen. Zur Abflachung des Geländes wurde noch im Winter die Ufervegetation auf beiden Seiten entfernt. Ziel ist es, den Fluss erlebbar und damit auch möglichst gefahrlos zugänglich zu machen. Der Erdaushub wird auf der Südseite der Argen als Hügellandschaft in den Sportpark integriert, der derzeit errichtet wird. Im gesamten Bereich bis hinunter zum ehemaligen Landfahrerplatz und der Alten Hofstelle werden in die Argen verschiedene Strukturelemente wie Buhnen, Raubäume, Wurzelstöcke, Störsteine oder Steinriegel eingebaut. Diese schaffen verschiedenste Lebensräume für Wassertiere.

Schaden die Eingriffe der Hochwassersicherheit?

Tobias Baur: Nein, das wird nicht so sein. Parallel zu unserer Planung wurde auch ein Strömungsmodell erstellt, um sicherzugehen, dass es zu keiner Verschlechterung im Fluss kommt. An der einen oder anderen Stelle ergeben sich eher Verbesserungen. Im Übrigen hätte das Regierungspräsidium unsere Pläne sonst nicht genehmigt.

Welche Fische werden besonders von der Revitalisierung der Argen profitieren?

Peter Geitz: In der Argen gibt es hier derzeit nur wenige Bachforellen, Döbel, Äschen – nur oberhalb von Wangen – und die Kleinfischarten Schmerle und Groppe. Weiter südlich soll auch der seltene und geschützte Strömer vorkommen. Die Seeforelle kommt, wenn sie es überhaupt bis hierher schafft, nur zur Laichzeit vor. Nach dem Umbau und mit der einsetzenden Eigenentwicklung sollen all diese Arten, wo immer möglich, neue, geeignete Lebensräume vorfinden. Fast alle Fische benötigen je nach Altersstadium unterschiedliche Lebensräume. So braucht die Bachforelle zum Laichen schnell durchströmte Bereiche mit Kiessohlen, in die sie ihre Laichgruben schlagen kann. Die Jungfische dagegen suchen ruhigere, flache, überströmte Bereiche mit reichlich Nahrungsangebot zur weiteren Entwicklung auf. Erwachsene Forellen halten sich gerne in geschützten Unterständen mit tiefem Wasser (Kolke, Gumpen) auf. Diese in der heutigen Argen verlorene Standortvielfalt gilt es neu zu entwickeln. Dazu bauen wir auch im Fluss verschiedene Bauwerke ein. So erzeugen beispielsweise die zahlreichen hufeisenartig geformten Steingruppen im Gewässerbett schnelle Strömungsbereiche an den Außenflanken der Steine, im Innenbereich dagegen einen tiefen, ruhigen „Pool“.

„Ziel ist es, dem Gewässer wieder mehr Raum zur eigendynamischen Entwicklung zu geben und vielfältige Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu schaffen.“

Peter Geitz

Vom Stoff zum Beet

Birgit Rosenberger-Rausch ©privat

Birgit Rosenberger-Rausch im Interview

Einjährige Beetpflanzen für Frühjahr und Sommer, der sogenannte Wechselflor, sind das Werk der Zierpflanzengärtner. Mit dem Wechselflor präsentieren sich die Gärtner der Region auf der LGS 2024 auf mehr als 3.500 Quadratmetern. Die Planung ist eine hohe Kunst, die Birgit Rosenberger-Rausch verantwortet. Die renommierte Gartenbauwissenschaftlerin plant seit vielen Jahren große Auftritte für Pflanzen und gibt erste kleine Hinweise, was die Landesgartenschau-Besucher in Wangen erwarten wird.

Sie sind Fachfrau für große Pflanzentwürfe – vom „Blühenden Barock“ in Ludwigsburg bis zu Landesgartenschauen, von denen Sie eine ganze Reihe mit Wechselflor und Stauden ausgestattet haben. Ist das der „normale“ Weg einer Gartenbauwissenschaftlerin?

Birgit Rosenberger-Rausch: Nein, überhaupt nicht. Schon während meines Studiums war meine Begeisterung für alles, was mit Pflanzen zu tun hat, meine treibende Kraft. Mindestens genauso faszinierten mich aber auch Planungen im gärtnerischen Bereich. So habe ich 1993 bei der Förderungsgesellschaft Baden-Württemberg für die Landesgartenschauen angefangen. Bad Dürrheim 1994 war meine erste Landesgartenschau. Dort habe ich die kompletten grünen Ausstellungsbereiche betreut, die Blumenschauen, den Wechselflor und zum Beispiel auch die Gärten der Landfrauen und Gartenfreunde. Dann folgten die Landesgartenschauen Böblingen und Plochingen. Freiberuflich arbeite ich seit 1999. Ich hatte gemerkt, dass es gerade im Sektor Pflanzplanung eine Lücke gab.

Beschreiben Sie doch bitte mal, wie Sie bei Ihren Planungen vorgehen. Wie ist der Weg von einem leeren Beet zu einer Sinfonie der Blüten?

Birgit Rosenberger-Rausch: Das ist ein spannender Weg. Man sucht sich ein einzigartiges Thema, das mit dem vorhandenen Gelände und der umgebenden Stadt zu tun hat. Dann schaut man, wo geeignete Flächen sind, und legt sie im Plan fest. Und dann überlegt man, wie sich das Thema auf der Fläche ausdrücken lässt. Ich schaffe mir dabei Bilder im Kopf, wie die Beete aussehen sollen. Im nächsten Schritt geht es daran, Pflanzenarten auszuwählen und sie für die einzelnen Beete zu kombinieren. Dabei sind die Höhenentwicklung und die Farbanteile besonders wichtig. Manche Beete erhalten Muster, andere ineinanderlaufende Gruppen. Danach werden die Pläne gezeichnet, die Mengen berechnet und die Pflanzenlisten erstellt.

Inwieweit haben sich Pflanzkonzepte seit Beginn Ihrer Tätigkeit geändert? Unterliegen diese Konzepte gewissen Moden?

Birgit Rosenberger-Rausch: Es hat sich einiges geändert. In den ersten zehn Jahren konnte man eine kontinuierliche Verbreiterung des Angebots an Pflanzen sehen – auch mit neuen Pflanzenarten, bei denen die Züchtung immer wieder andere Varianten hervorbrachte. Früher waren Balkone mit Geranien bepflanzt, dann kamen Petunien und viele andere dazu. Die Sortimente werden gerade wieder schlanker, und manche Sorte ist nur kurz auf dem Markt. Auch mit Blick auf die Beetgestaltung hat sich in den vergangenen 20, 30 Jahren einiges getan. Damals wurden oft nur wenige Sorten flächig gepflanzt. Die Beete sahen deshalb sehr viel sortierter aus. Heute kombiniert man sehr viel mehr Pflanzen, lässt Sorten ineinanderlaufen und gibt den Beeten ein etwas natürlicheres Aussehen.

Wangen hat sehr unterschiedliche Parkabschnitte. Was heißt das für die Planung der großen Beete?

Birgit Rosenberger-Rausch: In manchen Teilen des Parks sind die Beetformen schon durch das Pla­nungsbüro lohrer.hochrein vorge­geben. Dort gestalten wir nur die Bepflanzung, zum Beispiel auf den Kreisbeeten um die Kirschbäume im Eingangsbereich beim Alten Feu­erwehrhaus. In anderen Parkteilen wie im ERBA-Park planen wir auch die Beetformen. Dazu müssen wir uns natürlich mit den weiteren Pla­nern der Gartenschau abstim­men. Für den ERBA-Park haben wir das Thema Fäden und Stoffe ge­wählt. Lange, schmale Beete wer­den sich mit größeren Flächen abwechseln. Auf Letzteren werden die Pflanzen entsprechend den typischen alten Stoffmustern der ERBA angeordnet.

Skizzieren Sie doch mal, woran sich die Landesgartenschaubesucher 2024 in Wangen erfreuen können.

Birgit Rosenberger-Rausch: Sie können sich an ganz viel Vielfalt, verschiedenen Farbkompositio­nen, an Sorten und Pflanzen erfreu­en, die sie vielleicht nicht jeden Tag so sehen. Auch weil wir viele Pflanzen auswählen, die eher für Beete gezüchtet sind, und nicht nur Arten für Kübel und Balkonkästen. Die Frühjahrsplanung wird in die­sen Wochen abgeschlossen, die Planung geht dann an die Gärtner, die über den Sommer die Pflan­zen produzieren.

Ab wann werden die Gärtner mit dem Pflanzen beschäftigt sein?

Birgit Rosenberger-Rausch: Ab Mitte September pflanzen wir in den Gärten und Parkanlagen Früh­jahrsflor. Der zweite Teil der Früh­jahrsblumen kommt erst im März 2024 in den Boden. Die Umpflanz­aktionen während der Landesgar­tenschau von Frühjahr- auf Som­merflor beginnen Mitte Mai.

Woher kommen die Pflanzen?

Birgit Rosenberger-Rausch: Wir wollen sie möglichst von Gärtnerei­en der Region beziehen, maximal vom Bodensee. Das liegt schon da­ran, dass wir bestimmte Sorten zielgenau auf einen Termin hin brau­chen. Wenn man Vielfalt haben will, muss man regional produzieren und abrufen.

Gibt es so etwas wie eine Lieb­lingsblume oder -staude, die Sie besonders gern und häufig ver­wenden? Und was zeichnet diese aus?

Birgit Rosenberger-Rausch: Da könnte ich viele nennen, zum Bei­spiel das Argentinische Eisenkraut mit der botanischen Bezeichnung Verbena bonariensis. Das sind hohe Verbenen mit einem schönen, wun­derbar lockeren Wuchs. Ich mag sie besonders, weil sie sich gut mit den Pflanzen in der Umgebung verbinden, nicht so viel Wärme brau­chen und ein bisschen wild aus­sehen. Ich finde sie deshalb faszi­nierend, weil man sie zu allen Farben kombinieren kann. Von Ende Juni bis zum Frost blühen sie durchgehend. Und es ist kaum zu glauben, wie viele Insekten dar­auffliegen: Schmetterlinge, Bienen, Hummeln und viele andere.

Und ganz persönlich: Haben Sie in Ihrem Garten zu Hause eine Lieblingsblume?

Birgit Rosenberger-Rausch: Mein Garten ist nicht so geordnet, weil ich ihn auch als Testfeld für neue Sorten nutze. Ich probiere viel aus, was in den Gärtnereien neu angeboten wird. Da landet also viel probeweise, und dem­entsprechend groß ist die Vielfalt in meinem Garten.

Zukunftsfähiges Bauen

Professor Achim Menges von der Universität Stuttgart

Professor Achim Menges im Interview

Der Bausektor verbraucht enorme Mengen an globalen Ressourcen und Energie. Um diesen Sektor zukunftsfähiger zu gestalten, forscht Prof. Achim Menges von der Universität Stuttgart an einer ressourcenschonenden Bauweise mit biobasierten Werkstoffen. Die Forschungsergebnisse können auf der Landesgartenschau 2024 in Wangen in Form des Aussichtsturmes und Holz-Naturfaser-Pavillons bestaunt werden.

Können Sie beschreiben, was das Besondere und das Neuartige an diesem Projekt ist?

Prof. Achim Menges: Das Neuartige an dem Pavillon, den wir für die Landesgartenschau in Wangen auf der Argenwiese realisieren dürfen, ist zum einen, dass es natürlich ein sehr attraktiver Ort für diese Landesgartenschau in Form eines Sommerpavillons wird. Auf der anderen Seite auch, dass es das Ergebnis einer langjährigen Forschungsarbeit ist, die sich mit ressourcenschonenden Bauen mit biobasierten Werkstoffen beschäftigt. Das heißt also, was wir hier zeigen wollen ist auch, wie eine Zukunft des Bauens aussehen könnte, in der wir mit den Ressourcen, die uns unsere Umwelt zur Verfügung stellt, sehr sparsam umgehen können und wie dass tatsächlich auch neue Formen des Bauens ermöglicht.

Sie haben da ja auch die Natur sehr genau beobachtet und lehnen sich da an natürliche Prinzipien an, was kann denn die Natur so viel besser im Bezug aufs Bauen?

Prof. Achim Menges: Also, was die Natur uns aufzeigt sind gänzlich andere Art und Weise, wie man tragende Strukturen konstruieren und ausformen kann. Und die Natur investiert da immer wesentlich mehr in relativ komplexe Formen und kann damit aber sehr viel Material einsparen, das heißt die Natur platziert das Material eigentlich immer nur genau da, wo es gebraucht wird, was dann auch zum einen natürlich zum effektiveren Umgang mit Ressourcen führt, zum anderen aber auch bedeutet, dass die natürlichen Strukturen hochgradig ausdifferenziert sind. Und genau diese Prinzipien können wir jetzt mit digitalen Technologien abbilden. Das heißt, wir können uns erlauben, wirtschaftlich – was wir eigentlich ökologisch schon lange tun müssten – nämlich eigentlich aufwändige Konstruktionen zu realisieren, die sehr sorgsam mit den vorhandenen Ressourcen umgehen.

Das sind ja zum Teil robotergestützte Prozesse. Ist das tatsächlich umsetzbar für einen kleinen Handwerksbetrieb? Denn es klingt zunächst mal sehr kompliziert und sehr kostenintensiv, wenn man solche Anlagen anschaffen müsste.

Prof. Achim Menges: Also, das ist vielleicht wichtig zu sagen, dass so ein Industrie-Roboter nicht mehr kostet – tendenziell eher weniger – als die klassische Holzbearbeitungsmaschinen, die bei den Holzbauern auch genutzt werden. Da gibt es ja auch verschieden Formen, wie das dem Handwerk zur Verfügung gestellt werden kann, über Genossenschaftszentren etwa. Das heißt, ich glaube wirklich, die Technologie ist hier nicht die Barriere, sondern das ist eigentlich eher der Ansatz, dass es eine andere Form des Arbeitens ist. Es bedarf mehr Planung, es sind komplexere Strukturen, Maschinen müssen programmiert werden, aber es ist eigentlich ein Ansatz, der einer Wissensgesellschaft gerecht ist und dafür kann ich das, was wir relativ wenig haben, nämlich Material und Energie, einsparen. Das ist schon auch ein zukunftsträchtiger Weg und ich denke, das ist etwas, was eigentlich das Bauen spannender macht als das Bauen, das vor allem auf körperlicher Arbeit, die nur schwer ausgeführt werden kann, basiert.

Hier in der Region war Vorarlberg lange Zeit ein Vorzeigeland gerade in Sachen Holzbauarchitektur. Dass wird ihnen als Architekt sicher bekannt sein. Glauben Sie, dass Wangen jetzt ein neuer Hotspot wird für innovatives, zukunftsfähiges Bauen oder kann von Wangen da so ein Strahl ausgehen?

Prof. Achim Menges: Ja, also ich glaube die Landesgartenschau in Wangen hat das jetzt zum Anlass genommen, zwei wirklich neuartige, weltweit einzigartige Holzbauprojekte zu realisieren. Und ich glaube, die stellen eine sehr schöne Ergänzung da – zu dem exquisiten, auch exquisit handwerklich ausgeführten Holzbau, den wir hier in der Region, vor allem auch in Vorarlberg finden. Ich glaube, es ist eine tolle Ergänzung, die den Raum für den Holzbau noch attraktiver macht.

Sie haben ja schon Projekte realisiert, unter anderem für Bundesgartenschauen, warum sind gerade Bundes- oder Landesgartenschauen offenbar ein guter Ort, um ihre Forschung irgendwie auch sichtbar zu machen?

Prof. Achim Menges: Um ein vorwärts gewandtes, innovatives Gebäude zu realisieren braucht man innovative, vorwärtsgewandte Bauherren und ich glaube, das ist die Grundvoraussetzung. Und diese Voraussetzung finden wir bei Bundes- und Landesgartenschauen in erhöhtem Maße vor. Ich glaube, dass ist auch toll, denn es gibt da eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, dass ich nicht nur Raum schaffe, sondern es geht darum, architektonisch etwas Qualitätsvolles zu tun. Aber es hat natürlich auch den Anspruch, Herausforderungen, die wir in der Gesellschaft haben, zu thematisieren, und anteilig auch neue Lösungswege aufzuzeigen. Insofern sind Bundes- und Landesgartenschauen ein sehr dankbarer Kontext, um experimentelles Bauen in die Realität zu übersetzen und ich glaube, da ist Deutschland auch durchaus weltweit führend, dieses Format auf diese Art und Weise zu nutzen und zu bespielen.

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie an die Landesgartenschau Wangen 2024 denken?

Prof. Achim Menges: Ich freue mich ganz besonders, dass wir es hoffentlich schaffen werden, diese zwei tollen Bauwerke, die für uns auch eine große Bedeutung haben, sowohl aus wissenschaftlicher Sicht als auch aus architektonischer Sicht, hier realisieren zu dürfen und sie dann tatsächlich fertig zu sehen – in diesen unglaublich schönen Naturraum eingebettet. Das wird schon auch ein persönliches Highlight!

Alle mal
herhören!

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